Eine uralte Tradition. Jeder kennt die Barbarazweige, die am 4. Dezember – am Tag der Heiligen Barbara – geschnitten werden und mit etwas Glück zu Weihnachten erblühen. Das Treiben und Verfrühen von Gehölzen ist eine uralte Tradition, um den Blütenhunger des Menschen in der Winterzeit zu stillen. Die Sehnsucht nach Grünem und Blüten in der dunklen Jahreshälfte ist uns noch immer geblieben, aber die Mühe des Verfrühens tut sich kaum noch jemand an. Warum auch? Heutzutage werden Industrie-Schnittblumen das ganze Jahr über aus aller Herren Länder importiert. Ich gebe zu, auch mir juckt’s unter den Fingernägeln, wenn mir im Jänner an der Supermarktkassa die ersten Tulpen entgegenlachen. Und ja, ich werde auch manchmal schwach und dann erfreue mich über die bunten Blumen am Esstisch.
Aber wieso nicht probieren, auch hier wieder etwas nachhaltiger, geduldiger und achtsamer zu sein und die alte Tradition der Treiberei wieder neu entdecken? Ich habe mich diesen Winter viel damit beschäftigt - u.a. auch einen Kurs bei einer BIO-Blumengärtnerin belegt - und ich möchte euch hier Tipps und Tricks zeigen, worauf man beim Verfrühen achten muss.
Nach einer vegetativen Ruhephase der Pflanzen im Winter, treiben diese erst wieder aus, wenn die Temperaturen im Frühling erneut ansteigen. Und genau diesen Trick wenden wir an, um das Pflanzenwachstum zu beschleunigen und uns so bereits im Winter an frischem Grün erfreuen zu können. Und so geht's:
SCHNEIDEN: Man sucht sich Zweige, die die gewünschten Pflanzenteile, wie Blüten oder Blätter, bereits vorgebildet haben. Blütenknospen sind eher rundlich geformt und dicker als Blattknospen. In der Regel treiben die Knospen am besten auf vorjährigem Holz aus (nicht an den frischen einjährigen Trieben). Es funktionieren generell beiderlei Triebe, aber wenn man den Unterschied erkennen kann, dann zahlt es sich aus, schon im Vorjahr ausgebildete Zweige zu verwenden.
KÄLTE: Knospen brauchen einen Kältereiz, um im Frühjahr erblühen zu können. Das heißt, wenn die Pflanze der Wahl noch keinen winterlichen Frost erlebt hat, legt man die Zweige am besten noch für eine Nacht in den Gefrierschrank.
WÄRME: Nach der kurzen Hochwinter-Simulation, lässt man die Zweige auftauen und badet sie dann für ein paar Stunden in warmem Wasser (ca. 20-30 C°). Dadurch wird der Treibprozess zusätzlich verkürzt. Die Knospen bekommen damit das Signal, dass der Frühling begonnen hat und sie austreiben können. So durchlaufen die Zweige die natürlichen Reize der Jahreszeiten im künstlich erzeugten Schnelldurchlauf.
SAUBERES WASSER: Nun können die Zweige ab in die Vase. Dazu schneidet man sie mit einem sauberen Messer schräg an und steckt sie in die saubere Vase mit frischem Wasser. Dieses sollte spätestens alle 2-3 Tage getauscht werden. Wasser ist ein idealer Nährboden für Bakterien und im Blumenwasser setzen sich diese nach ein paar Tagen am Stiel an und dringen in die Gefäßbahnen der Pflanzen ein. Diese werden verstopft und dadurch wird der Wassertransport unterbrochen oder zumindest beeinträchtigt. Im Zuge der Erneuerung des Wassers, sollten auch die Stiele immer wieder frisch abgeschrägt werden. Auch dies fördert ein rasches Austreiben der Blätter und Blüten.
LUFTFEUCHTIGKEIT: Ein letzter wichtiger Tipp ist, für genügend Luftfeuchtigkeit zu sorgen. Die warme und trockene Heizungsluft, die im Winter in unseren Wohnungen und Häusern herrscht, ist leider alles andere als ideal für das Verfrühen von Zweigen. Die Zweige trocknen schnell aus, selbst wenn sie im Wasser stehen. Daher sollte das Gehölz, wenn möglich 1 x täglich mit frischem Wasser besprüht werden.
Ich stelle meine Zweigerl immer an einen hellen Ort, aber nicht direkt in die Sonne. In erster Linie reicht den Pflanzen der Temperaturreiz, um das Austreiben zu beginnen. Je weniger Licht sie bekommen, desto heller wird das Blattgrün und umgekehrt. Solche Farbenspielereien kann man in Sträußen gezielt einsetzen.
Die Treiberei lässt sich von Anfang Dezember bis in den Februar hinein gut umsetzen. Vor Anfang Dezember sollte man nicht damit beginnen, weil die Pflanzen sonst noch nicht die notwendigen Anlagen, wie Knospen, fertig ausgebildet haben. Und später als im Februar macht es oft gar nicht mehr so viel Sinn Zweige zu Hause vorzuziehen, weil die Natur selbst dann oft schon den Startschuss für die nächste Vegetationsperiode gegeben hat.
Aber welche Pflanzen eignen sich nun zum Verfrühen? Gut geeignet sind zum Beispiel Sträucher, wie der Flieder (Syringa), die Forsythie (Forsythia), der Schneeball (Viburnum), die Kornelkirsche bzw. Dirndl (Cornus mas), die Schlehe (Prunus spinosa) oder der Weißdorn (Crataegus). Auch den Hartriegel (Cornus sanguinea) stecke ich gerne in meine Vasen. Dieser besticht durch seine schön rot gefärbten Zweige. Wie wir vom Barbara-Brauch wissen, eignen sich auch Obstgehölze gut, wie die Kirsche (Prunus avium oder Prunus cerasus), die Zwetschke (Prunus domestica subsp. domestica), die Marille (Prunus armeniaca) oder Apfelzweige (Malus). Aber auch mit Ästen von Bäumen kann man schöne Blätter-Effekte in der Vase erzielen, wie zum Beispiel von der Eiche (Quercus), Buche (Fagus sylvatica oder Carpinus betulus), Linde (Tilia), Walnuss (Juglans regia) oder der Lärche (Larix decidua). Vor allem Letztere bildet schöne zart hellgrüne Nadeln aus, die wie viele kleine Buschen austreiben. Ein schöner Hingucker in einem gemischten Strauß. Ebenfalls verfrühen kann man Weidekätzchen für den Osterstrauch. Diese stammen meist von der Sal-Weide (Salix caprea). Sind die Weidekätzchen ausgebildet, kann man die Zweige auch ohne Wasser in der Vase halten. Die Zweige mit den sogenannten Palmkätzchen trocknen aus und sind so, ohne sichtbaren Qualitätsverlust, sehr lange haltbar. Weiden wurzeln nämlich sehr leicht, wenn man sie längere Zeit in Wasser stehen hat. Das kann man sich aber genauso zu Nutze machen, wenn man vorhat die Zweige anschließend im Garten einzupflanzen.
Ich hoffe ich konnte die eine oder den anderen von euch überzeugen ebenfalls einmal das Verfrühen von Gehölzen auszuprobieren. Ich finde es toll, von einem schönen Spaziergang ein Stück Natur mitzunehmen, dem man dann in aller Geduld bei seiner Metamorphose zusehen kann. Und wie man sich dann freut, wenn sich die erste Blüte öffnet! Ich sag’s euch …
Wenn ihr Lust habt, mehr zu den genannten und anderen Pflanzen zu erfahren, dann begleitet mich doch auf einem meiner nächsten Kräuterspaziergänge. HIER findet ihr die nächsten Termine.